$ \newcommand{\myvec}[1]{\begin{pmatrix}#1\end{pmatrix}} $ (##) Herleitung des Skalarproduktes (vgl. S157) - Eine Übung fürs genaue Lesen mathematischer Texte **Aus dem Buch:** Nach dem Satz des Pythagoras gilt: Die Länge der Vektoren $ \vec{a}=\myvec{a_1\\a_2} $ und $ \vec{b}=\myvec{b_1\\b_2} $ sind genau dann zueinander orthogonal (senkrecht), wenn folgende Gleichung gilt:

$ {\left| \vec{a} - \vec{b} \right|}^2 = {\left| \vec{a} \right|}^2 + {\left| \vec{b} \right|}^2 \quad\quad\quad {}^{G1}) $

**Erklärung:** Auf der linken Seite der Gleichung steht innerhalb der Betragsstriche der Term $ \vec{a} - \vec{b} $ . Bildet man aus den beiden Vektoren $ \vec{a} $ und $ \vec{b} $ ein Dreieck, so ist der Term $ \vec{a} - \vec{b} $ gerade die Verbindung der Pfeilspitzen der beiden Vektoren (also die Verbindungsvektor von Punkt B zu A). Wenn sich die beiden Vektoren $ \vec{a} $ und $ \vec{b} $ wirklich senkrecht schneiden, so ist $ \vec{a} - \vec{b} $ praktisch der "Hypotenusenvektor". Was aber eigentlich interessiert, sind die Längen der Vektoren (die erhält man ja durch Anwendung der Betragsstriche). ************* Letztlich steht in obiger Gleichung eigentlich nur eine leicht angepasste Version der Pythagorasgleichung $ c^2 = a^2 + b^2 $ wobei c durch die "Länge des Hypotenusenvektors" ersetzt wurde, und a und b durch entsprechende Vektorlängen. * A * Auf dem Bild sind die beiden Vektoren zwar nicht senkrecht zueinander. Dennoch bezeichnet der Term $ \vec{a} - \vec{b} $ den Verbindungsvektor der Pfeilspitzen. * ^ * * a / * * / * * b \ * * v * * B * ************* **Aus dem Buch:** Es ist:
$ {\left| \vec{a} - \vec{b} \right|}^2 = (a_1 - b_1)^2 + (a_2 - b_2)^2 = (a_1^2 - 2\cdot a_1 b_1 + b_1^2) + (a_2^2 - 2\cdot a_2 b_2 + b_2^2) $
**Erklärung:** Den Term $ \vec{a} - \vec{b} $ ersetzen wir zunächst durch die entsprechenden "ausgeschriebenen" Vektoren und erhalten:
$ {\left| \myvec{a_1\\a_2} - \myvec{b_1\\b_2} \right|}^2 = {\left| \myvec{a_1 - b_1 \\a_2 - b_2} \right|}^2 $
Die Betragsstriche liefern die Länge des entsprechenden Vektors. Wir schreiben daher:
$ {\left( \sqrt{(a_1 - b_1)^2 + (a_2 - b_2)^2} \right) }^2 $
Das Wurzelzeichen und das äußere Quadrat heben sich gegenseitig auf. Man erhält schließlich die Form, die im Buch direkt hinter dem ersten Gleichheitszeichen steht!
Beim zweiten Gleichheitszeichen wird nur noch die zweite binomische Formel angewandt.


**Aus dem Buch:** Und somit:
$ {\left| \vec{a} - \vec{b} \right|}^2 = (a_1^2 + a_2^2) + (b_1^2 + b_2^2) - 2\cdot(a_1 b_1 + a_2 b_2) \quad\quad {}^{G2}) $
**Erklärung:** Wir betrachten den Term mit den beiden ausmultiplizierten binomischen Formeln:
$ (a_1^2 - 2\cdot a_1 b_1 + b_1^2) + (a_2^2 - 2\cdot a_2 b_2 + b_2^2) $
Die Klammern in diesem Term darf man weglassen. Wir sortieren zunächst die einzelnen Summanden um, und erhalten:
$ a_1^2 + a_2^2 \quad + b_1^2 + b_2^2 \quad - 2\cdot a_1 b_1 - 2\cdot a_2 b_2 $
Schließlich kann man noch bei den Termen mit der (-2) den Faktor (-2) ausklammern. Damit ergibt sich wieder der Term im Buch. **Aus dem Buch:** Weiterhin ist:
$ {\left| \vec{a} \right|}^2 + {\left| \vec{b} \right|}^2 = (a_1^2 + a_2^2) + (b_1^2 + b_2^2) \quad\quad\quad {}^{G3}) $
**Erklärung:** Wir schreiben den Term auf der linken Seite um:
$ {\left| \myvec{a_1\\a_2} \right|}^2 + {\left| \myvec{b_1\\b_2} \right|}^2 $
Anwendung der Betragsstriche (Länge von Vektoren!) liefert
$ \left( \sqrt{a_1^2 + a_2^2} \right)^2 + \left(\sqrt{b_1^2 + b_2^2} \right)^2 $
Die Wurzel und das "zum Quadrat" hebt sich wieder auf, so dass wir den Term aus dem Buch erhalten.


**Aus dem Buch:** Die Vektoren $ \vec{a} $ und $ \vec{b} $ sind also genau dann zueinander orthogonal, wenn für ihre Koordinaten gilt: $ 2\cdot(a_1 b_1 + a_2 b_2) = 0 $, also $ a_1 b_1 + a_2 b_2 = 0 $. Entsprechendes gilt für Vektoren im Raum.
**Erklärung:** Ganz zu Beginn haben wir die Pythagoras-Gleichung aufgestellt (siehe Markierung $ {}^{G1} $ ). Die linke Seite kann man durch den Term $ {}^{G2} $ ersetzen und die rechte Seite durch den Term $ {}^{G3} $ . Dann erhält man folgende Gleichung: $ (a_1^2 + a_2^2) + (b_1^2 + b_2^2) - 2\cdot(a_1 b_1 + a_2 b_2) = (a_1^2 + a_2^2) + (b_1^2 + b_2^2) $
Subtrahiert man bei dieser Gleichung die jeweils identischen Klammerterme, so erhält man:
$ - 2\cdot(a_1 b_1 + a_2 b_2) = 0 $
Teilen durch (-2) liefert schließlich die Formel für die Senkrechtbedingung zweier Vektoren:
$ a_1 b_1 + a_2 b_2 = 0 $
Weil diese Form so wichtig ist, bekommt sie den Namen "Skalarprodukt" und man hat dafür ein "neues Multiplikationszeichen" reserviert. Man schreibt:
$ \vec{a} \cdot \vec{b} = a_1 b_1 + a_2 b_2 \quad $ für 2-dimensionale Vektoren
$ \vec{a} \cdot \vec{b} = a_1 b_1 + a_2 b_2 + a_3 b_3 \quad $ für 3-dimensionale Vektoren









**Fazit:**
Wenn man mathematische Texte verstehen möchte, muss man sehr genau lesen und viele Dinge gründlich durchdenken. Außerdem muss man Konzepte aus dem vorangegangenen Unterricht verstanden haben: Verbindungsvektor, Länge von Vektoren, Satz des Pythagoras, binomische Formeln, rechtwinklige Dreiecke (am besten mit den Vokabeln Hypotenuse und Katheten), Unterschied zwischen Gleichung und Termumformung, "Furchtlosigkeit" bei der Arbeit von Variablen mit Indizes (also $ a_1 $ sollte einem keine Angst einjagen).
Gelegentlich hilft es, statt $ a_1 $ und $ a_2 $ usw. konkrete Zahlen zu benutzen, ein entsprechendes Bild zu zeichnen usw. Das alles kostet Zeit - aber es ist (in der Mathematik) auch normal.